"Fröhlich soll mein Herze springen" (EG 36) war mir schon immer das liebste Weihnachtslied.
Nun begab es sich zu der Zeit, da ich im Gefängnis im Unteren Schloss in Siegen arbeitete.
Da war ein Gauner, der hatte alte Leute an den Haustüren mit dem "Oma-Trick" böse betrogen und bestohlen.
Das fand ich zum Kotzen und konnte ihn deswegen anfangs nicht gut in meiner Nähe ertragen.Allerdings war er ansonsten ein umgänglicher Bursche.
Er kam aus Polen und sprach mit einem schweren Akzent. Und er konnte sehr gut singen.
Das hatte er zu Hause studiert und auch bereits an der Oper gesungen, bevor er auf die schiefe Bahn geraten war.
Ich dachte mir, so ein Talent darf man nicht vernachlässigen.
Weihnachten stand vor der Tür.
Vom Markt draußen konnte man den Glühwein, das Bier, das Lakritz, die Würstchen und den Bratfisch riechen. Das Gedudel der Karusselle und das Gegröle der Besoffenen lag ebenfalls in der Luft.
Wir haben dann in seiner Zelle zusammen geübt; er hat gesungen und ich habe ihn auf der Gitarre begleitet.
Und dies war "unser" Lied für die Weihnachtsfeier im Knast in der schmuddeligen Turnhalle im Schloss, die früher sicher einmal ein fürstlicher Saal gewesen ist.Ich schreibe seinen Gesang so orginalgetreu wie möglich auf.
Und wer meint, ich wollte mich damit über den Mann lustig machen, der soll das ruhig denken.
Er sang so, dass ich das sicher mein Leben lang nicht vergessen kann.
Ich hätte laut auf meine alte Gitarre weinen können.
"Froollick soohl mein Härrtzä s-prrin-g-än
Diesärr Zeit, da voohrr Frroid allä Än-g-äll sin-g-än
Hohrrt, hohrrt, wie mit voollän Chorän
Allä Luuhft, lautä rruuhft
Chrristuuhs ist geborrän"
Als er fertig gesungen hatte, war Weihnachten geworden.
Zwischen all den Kerlen, die eine Menge auf dem Kerbholz hatten.
Und die es von ihm gesungen besser gehört haben als es ein Pastor hätte sagen können:"Euch ist heute der Heiland geboren" (Lukas 2,10).
